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Gedanken eines Fridays For Future Aktivisten: »Cambium-Zyklus«, Coronakrise und die Bedeutung von Gemeinschaft

von Philipp Wilfinger,
Mit-Initiator Fridays For Future Wien

Mein Name ist Philipp. Ich bin Fridays For Future Aktivist seit der ersten Demo in Wien. Im März 2020 habe ich am ersten Termin des Cambium-Zyklus „Raumhalten für den sozialen Wandel“ teilgenommen, um mehr über Gemeinschaften zu erfahren. Kurz danach wurde die Corona-Krise zum bestimmenden Thema. Wie Fridays For Future mit dieser neuen Krise umgeht und was ich über den Zyklus und Gemeinschaft denke?

Beginnen wir am Start. Ende Dezember 2018 hat sich mein Leben völlig auf den Kopf gestellt, als wir begonnen, wöchentlich Streiks für radikale Klimapolitik zu organisieren. Aus einem kleinen Protest entwickelte sich bald eine Gruppe mutiger Menschen, die groß dachte. Mit dem 1. Weltweiten Klimastreik am 15. März 2019 wurden alle unsere Erwartungen übertroffen – 30.000 Menschen standen am Heldenplatz und forderten Klimagerechtigkeit. Ich erfuhr erstmals, wie sich Selbstwirksamkeit in Gemeinschaft exponentiell steigern kann. Unser Organisationsteam wuchs daraufhin in Wien auf 150-200 Menschen, die seitdem unschätzbar viel Liebe und Zeit der Organisation von Streiks, Events, politischen Gesprächen, Kreativem, Presse, Social Media und Vernetzung innerhalb und außerhalb der Bewegung widmen.  

Für mich selbst war nach einem Jahr Klima-Aktivismus die Zeit gekommen, neue Inputs von außen zu sammeln und noch besser zu verstehen: Wie können wir Gemeinschaft effektiv organisieren, um gelingende Gruppendynamiken zu leben? Ein guter Freund und Mit-Streiker machte mich auf den Cambium-Zyklus über Raumhalten für den sozialen Wandel aufmerksam. Gemeinsam mit meiner Freundin, ebenfalls Aktivistin, meldete ich mich spontan an. Wir wussten nicht genau, was uns erwarten würde. Entsprechend überrascht und auch etwas überfordert waren wir damit, wie tiefgreifend und offen sich die Teilnehmenden mit ihren Emotionen und persönlichen Herausforderungen befassten. Die vielen köperbetonten und gruppendynamischen Übungen waren zum Teil weit außerhalb unserer Komfortzone, für viele der in Gemeinschaft Lebenden gehörten sie fast schon zum Alltag. Die theoretischen Inputs von Gruppenleiter Francois nahmen wir wissbegierig auf. Besonders hilfreich war für mich der von ihm vorgestellte Entwicklungsprozess von Hierarchien: Nach der Errungenschaft wenig bis nicht-hierarchischer Strukturen stehen wir nun in vielen sozialen Bewegungen vor der Herausforderung, die nächste Entwicklungsstufe zu erklimmen: Hierarchien nicht abzulehnen, in Bereichen wo sie berechtigt und sinnvoll sind. Wir waren sehr dankbar, Teil dieses Programms sein zu dürfen und die Welt von FFF mit der Cambium-Gemeinschaft zu vernetzen.

Die Ausbildungsgruppe im Kloster NaturSinne
© Elias Zsivkovits

Wenige Tage nach Beendung des Seminars wurde das Ausmaß der Corona-Krise in Österreich klar und drastische Maßnahmen zum Schutz der Menschen erlassen. Für Fridays For Future bedeutete das: Nach 15 Monaten und über 80 Streiks in Folge keine Versammlungen auf der Straße mehr. Flink und anpassungsfähig wie FFF nun mal ist, verlegten wir unsere Proteste kurzerhand ins Netz und starteten zeitgleich eine Kampagne zur Nachbarschaftshilfe und Solidarität in der Coronakrise. Denn eines ist uns klar: Gemeinsam schaffen wir jede Krise!

Das ist nun auch das Motto unseres Weltweiten Klimastreiks am 24. April 2020 – der in Form eines Online-Livestreams mit Musik, Reden und interaktiven Elementen das Gemeinschaftsgefühl unserer Bewegung zu allen Menschen nach Hause bringen soll. Wir rufen zudem dazu auf, an diesem Tag Streikschilder, Poster und Banner mit der Aufschrift „Gemeinsam schaffen wir jede Krise! #NetzstreikFürsKlima“ aus Fenstern, von Balkonen oder an Garten-Zäunen aufzuhängen.

In Zeiten der Corona-Krise erleben wir eine Form des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der beachtlich ist. Wir erleben eine Politik, die Krisen ernst nimmt und faktenbasiert handelt – statt der Bevölkerung die Verantwortung zur Krisenbewältigung zuzuschieben. Davon können wir vieles für die Zukunft lernen. Und wir können klar machen, dass jetzt die Zeit für eine nachhaltige Transformation unserer Wirtschaft ist  – einer Wirtschaft, die Gemeinwohl und Kooperation belohnt und Gemeinschaft statt Individualismus befördert. Eine bessere Welt ist möglich – packen wir es an!

Für alle die in Zukunft mehr von FFF erfahren wollen, hier der Link zum Email-Newsletter von Fridays For Future Austria:
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